Barbara Borek reviews my Art Laboratory Berlin show bOdy pandemOnium : Immersion into Noise in the magazine Art in Berlin
Es ist die erste Einzelausstellung von Joseph Nechvatal in Berlin, eine visuelle Reise durch unsere Körper. Der Künstler, 1951 in Chicago geboren und u.a. als Dozent an der School of Visual Arts (SVA) in New York tätig, beschäftigt sich seit 1986 mit elektronischer visueller Information und den Möglichkeiten der Computer-Robotik. Er begibt sich immer wieder auf künstlerische Erforschungen des viralen künstlichen Lebens, auch auf theoretischer Ebene in seinen Essays und anderen Schriften. 2001 erschien die Publikation Immersion into Noise, die 2013 eine wichtige Grundlage für sein Projekt Noise auf der 55. Internationalen Kunstausstellung in Venedig war, 2014 die Buch-CD Minoy.
Die beiden ‚Gemälde‘ im ersten Ausstellungsraum der aktuellen Schau zeigten Monitoraufnahmen, die vom Künstler mit einer Software bearbeitet wurden: frOnt windOw retinal autOmata (2012) und rear windOw curiOsite´s (2012). Die ursprünglichen, von Nechvatal ausgewählten und angepassten Ausschnitte stammen aus Online-Archiven für medizinische Darstellungen. Die Verwendung des C++ Virusprogramms, in Zusammenarbeit mit dem Programmierer Stephane Sikora entwickelt, verändert die Darstellungen der am höchsten und am niedrigsten gelegenen Öffnungen des menschlichen Körpers, der nach Außen und nach Innen weisenden, öffentlichen und intimen Stellen: Auge und Rektum als ästhetische Konstrukte.
Sein Interesse an deren ‚Zwischenraum‘ erweitert sich auch in der Anordnung der Bilder, die in ihrem quadratischen Format von 2 x 2 Metern, exakt vis-à-vis und knapp über dem Boden hängend, die Körper-Ordnung symbolisieren. Ergänzt werden die Stills durch die Videoarbeit Viral Venture (2011), eine knapp einstündige Projektion, in der die Bearbeitung durch das Virusprogramm immer neue Bilder entstehen lässt. Begleitet durch ein Stück für 200 E-Gitarren des Komponisten Rhys Chatham ziehen Lichtelemente in Einzel- und Mehrfachstrukturen über Farbflächen, formen sich Felder, lösen sich wieder auf …
Dieses „visuelle und konzeptionelle Rauschen“, so das Kuratoren Team Regine Rapp und Christian de Lutz, „umfasst eine Analyse der Kunstgeschichte von Lascaux über die gotische Kunst bis zur Rokoko Architektur und weiter zur modernen und zeitgenössischen Kunst.“ Die vielschichtigen Werke, die sich vor dem Publikum in ihren Ebenen entfalten, nehmen Leonardo da Vincis Komposition von Kreis und Quadrat auf, knüpfen an die Ästhetik des Zufalls von Marcel Duchamps und John Cage an und lassen Kunst, Theorie und Poetik miteinander kommunizieren. Die Vielschichtigkeit durchzieht Nechvatals Werk auf allen Ebenen, formt Assoziationsketten, die kultur- und gesellschaftsgeschichtliche Aspekte verbinden. So weisen seine Arbeiten über die Computer-Viren auf die durch den HI-Virus ausgelöste Krankheit Aids hin, zielen auf politische Fragestellungen wie die zunehmende private und öffentliche Überwachung und verbinden intellektuelle mit körperlichen Erfahrungen.
Nechvatal fordert sich und sein Publikum immer wieder auf, Prozesse zu begleiten, zu entschlüsseln, zu zerlegen und neu zu gestalten. Ein intensiver Prozess mit hohem ästhetischem Anteil. Sehens- und bedenkenswert!
Joseph Nechvatal – bOdy pandemOnium. Immersion into Noise
bis 21. Juni 2015
Art Laboratory Berlin
Prinzenallee 34
13359 Berlin
Fr-So 14-18 Uhr und nach Vereinbarung
Dr. Barbara Borek
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Joseph Nechvatal, geb. 1951 in Chicago, ist ein postkonzeptueller Künstler der digitalen Kunst – einer der wichtigsten Pioniere der sogenannten ‚Neuen Medien’-Kunst, der aber gleichzeitig auch auf die ‚alten Medien’ (Malerei, Zeichnung und Grafik) zurückgreift. Das phänomenale und unserer Meinung nach zeitgenössische ist, dass seine ‚Gemälde’ durch Computer-Robotik und Software Animation entstehen.
Die Ausstellung mit dem Untertitel Immersion into Noise ist Nechvatals erste Soloausstellung in Berlin und wird dem Publikum jüngere Arbeiten vorstellen, die mit seiner Publikation Immerison into Noise (2011) zusammenhängen. Darin stellt er eine visuelle Analogie zu ‚Noise’ her (im folgenden ‚Rauschen’) und betont die starke Wirkung durch den Akt der Immersion.
Im Ausstellungsprojekt, sowie generell in Nechvatals Arbeit, ist der Begriff Viractualism wesentlich, damit meint Nechvatal die Schnittstelle zwischen dem Biologischen und dem Technologi-schen: „The basis of the viractual conception is that virtual producing computer technology has be-come a noteworthy means for making and understanding contemporary art. This brings art to a place where one finds the emerging of the computed (the virtual) with the uncomputed corporeal (the actual).“
Neben seinen theoretischen Untersuchungen hat Nechvatal eine Serie von Gemälden und Projek-tionen entwickelt, bei denen seine Gemälde mit intimen Stellen des menschlichen Körpers durch ein a C++ Virusprogramm überfallen, zerstört und verändert werden (das Virusprogramm hat Nechvatal zusammen mit dem Programmierer Stephane Sikora entwickelt). In der Ausstellung bei Art Laboratory Berlin werden zwei Computer basierte Gemälde zu sehen sein: frOnt windOw retinal autOmata (2012) und rear windOw curiOsite´s (2012).
Darüber hinaus wird bei Art Laboratory Berlin eines seiner bekannten Arbeiten mit Computer-Virus-Software zu sehen sein: Viral Venture (2011). Die Projektion wird erweitert durch ein Stück für 200 E-Gitarren des Komponisten Rhys Chatham.
Das Künstlergespräch mit einem Noise-Concert seines Stücks 3 pOstmOrtems wird am Eröffnungswochenende stattfinden – am Samstag, den 25. April um 14 Uhr.
Kuratoren: Regine Rapp & Christian de Lutz
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